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Hass und Hetze: Wo die Meinungsfreiheit endet

Wie antastbar ist die Würde des Menschen? Wird Rechtsextremismus wieder salonfähig? Oder ist das bloß harmloser Rechtspopulismus? Für Juristen ist die Grenzziehung nicht immer leicht.

Was ist Verhetzung?

Es gibt verschiedene Fälle von Verhetzung: Nach § 283 des Strafgesetzbuches ist es verboten, zu Gewalt oder Hass gegen bestimmte Personengruppen aufzurufen oder anzustacheln oder diese Gruppen zu beschimpfen, um sie öffentlich herabzusetzen oder ihre Menschenwürde zu verletzen. Öffentlich ausgeübt wird Hetze, wenn sie zumindest 30 Personen wahrnehmen können.

Hetze oder Wiederbetätigung?

Die Abgrenzung zwischen Verhetzung und Wiederbetätigung ist oft schwierig, fest steht: Erfüllt eine Handlung oder Äußerung sowohl den Tatbestand des § 3g des Verbotsgesetzes als auch jenen der Verhetzung nach § 283 Strafgesetzbuch, so ist nach dem Verbotsgesetz vorzugehen – das ist etwa bei Schmähparolen wie „Affenhaus-Nigger raus“ und Sätzen wie „Angehörige der negroiden Rasse“ der Fall. Daran knüpfen sich unterschiedliche Folgen: Wer hetzt, kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Macht er dies vor einer breiten Öffentlichkeit, also vor rund 150 Personen, erhöht sich die Strafe auf maximal drei Jahre. Kommt es aufgrund der Verhetzung zu Gewalt, können fünf Jahre verhängt werden. Deutlich strenger sind die Strafen nach dem Verbotsgetz: Hier drohen bis zu zehn Jahren Haft, bei einer besonderen Gefährlichkeit sind es sogar 20 Jahre.

Wer ist geschützt?

Vor Hetze geschützt sind Kirchen und Religionsgesellschaften sowie alle Gruppen, die sich in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Weltanschauung, Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts oder einer körperlichen oder geistigen Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definieren lassen. Bis 2016 wurde überwiegend die Ansicht vertreten, ein pauschales Hetzen gegen Ausländer erfülle nicht den Tatbestand der Verhetzung. Seit der Änderung des § 283 des Strafgesetzbuches sind „Ausländer“ auch im Allgemeinen geschützt. Fraglich war zuletzt, ob auch „Asylwerber“ vom Schutz umfasst sind, was der OGH sowohl 2017 als auch 2018 bejaht hat: Ein Mann hatte bei Facebook gegen Flüchtlinge und Moslems gehetzt und Kommentare veröffentlicht wie: „mehr migranten in den öffentlichen dienst? ganz sachlich – welche qualifikation bringt so ein arabisch sprechender, gebrochen englisch stottender, durch betrügerische aussagen sich das asyl erschwindelnd habender mit?“ Der OGH stellte klar, dass die Äußerungen des Mannes nicht auf einen sachlichen Diskurs abzielten, sondern ein Bild der Bedrohung durch moralisch minderwertige Massen bewirken sollten. Der Nutzer hatte Asylwerber unter anderem pauschal als „betrügerische Dreckskerle“, „ausnahmslos miese Betrüger, Abzocker der schlimmsten Sorte“, „Müslischeißkerle“, „Mörder“, „miese Charaktere“, „gewaltbereiter Abschaum“, „Müslsäue“ und „Müslümbagage“ bezeichnet.

Was wird wie bestraft?

2017 wurde ein Fußballspieler nach dem Verbotsgesetz verurteilt, weil er sich im nationalsozialistischen Sinne betätigt hat, indem er während eines Fußballspiels gegenüber zweisprachigen Mitgliedern der gegnerischen Mannschaft skandierte: „Es gibt nur einen Führer und ihr scheiß Jugos gehört’s alle vergast und erschossen.“ Dabei hob er die die rechte Hand zum „Hitlergruß“, auf seinen beiden Socken im Wadenbereich trug er gut sichtbar die Zahl „88“. Diese Zahl wird unter Neonazis als getarnter Hitlergruß verwendet, sie steht für den achten Buchstaben des Alphabets, somit für „HH“, die Kurzform von Heil Hitler.

Im selben Jahr wurde ein Mann wegen Verhetzung bestraft, weil er auf seiner Facebook-Seite ein Bild stellte, das eine Schafherde und mehrere dunkelhäutige Menschen zeigte, mit der Überschrift „Swinger-Club für Muslime“ und dem Untertitel „Eine neue Anlaufstelle für dieses perverse Sodomie-Islamistengesindel“. Als Beleidigung und nicht als Verhetzung wertete der OGH hingegen die Äußerung eines Polizisten im Jahr 2006. Der Beamte hatte einen Türken vor mehreren Leuten mit den Worten beschimpft: „Du kannst nie Österreicher werden, du bist ein Scheiß-Tschusch“ und „Du bist ein Scheiß-Türke“. Im Falle einer Beleidigung sind die Strafen vergleichsweise milde, es drohen „lediglich“ bis zu drei Monaten Haft. Die Verfolgung geschieht auf Antrag des Opfers.

Was noch zulässig ist und wo die Grenze bereits überschritten wurde, ist einzelfallbezogen zu beurteilen: Das OLG Innsbruck kam in einem Urteil zu dem Ergebnis, dass der Eintrag auf einer Facebook-Seite „Warum gibt’s in da Türkei koane Samenspender? …weil di ganz Wixxa bei uns sein.“ noch keine die Menschenwürde verletzende Beschimpfung darstellt.

Was verboten ist

Verletzt ist die Menschenwürde jedenfalls dann, wenn einer Gruppe das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihnen etwa das Lebensrecht als gleichwertiger Bürger bestritten wird oder sie als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt werden, oder wenn sie sonst einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden. Das ist besonders der Fall, wenn der unverzichtbare Kernbereich der Persönlichkeit betroffen ist und nicht etwa „nur“ die Ehre – wenn also Personen oder Gruppen als „Untermenschen“ bezeichnet werden oder geäußert wird, dass sie „vergast“, „vertilgt“ oder „weggeräumt“ werden sollen. Dasselbe gilt für die Gleichstellung mit Tieren, beispielsweise die Bezeichnung des jüdischen Volkes als „Saujuden“ oder als „Brut“.

STEPHAN KLIEMSTEIN