Drum prüfe, wer sich bindet. Sie fragen sich jetzt sicher: Was haben Ehen und Aktien gemeinsam? Ein Beispiel gefällig? In Österreich beträgt die durchschnittliche Dauer aller geschiedenen Ehen rund zehn Jahre. Ob Sie es glauben oder nicht, aber auch bei Aktien empfehlen Finanzexperten eine Mindestbehaltedauer von zehn Jahren. Und so wie Ehen sind auch manche Aktien äußerst volatil. Kennt man ja. Aktien mögen vielleicht riskant sein. Dann sind es aber Ehen erst recht!
Trotz aller Gemeinsamkeiten gibt es auch wesentliche Unterschiede: Während Spekulanten vor einem beabsichtigten Kauf von Wertpapieren auch jede Menge anderer Papiere, nämlich Risikohinweise, Compliance-Bögen und Rechtsbelehrungen erhalten und somit umfassend über mögliche Folgen aufgeklärt werden, fast schon wie bei einem Arztgespräch, ist das bei Eheleuten in spe nicht der Fall. Wäre da nicht eine Art Hochzeit-Haftungs-Aufklärungsbroschüre ein Ansatz, vielleicht als obligatorische Beilage zu jeder Eheschließungsanmeldung? Immerhin war es ja gerade das Zeitalter der Aufklärung, in dem die Ehe erstmals als bürgerlicher Vertrag konzipiert wurde, der auch wieder aufgelöst werden konnte. Ein bisschen mehr Aufklärung wäre wohl nicht verkehrt.
Vermutlich finden potenzielle Honeymooner einen solchen Pragmatismus aber nicht besonders sexy. Das würde zumindest erklären, weshalb bis heute noch immer Ehen ohne Ehevertrag begründet werden. Die Ehe ist, zumindest in den meisten Fällen, nach wie vor ein Akt der Liebe, geschlossen mit den besten Absichten und Ambitionen. Vielen Pärchen ist dabei die Tragweite des Eheversprechens, das nur eine Momentaufnahme ist und als solche heftigen Kursschwankungen unterliegen kann, nicht bewusst.
Balzac schrieb 1829: „Die Ehe ist den Preis nicht wert, den sie kostet.“ Mit seiner „Physiologie der Ehe“ gelang dem Franzosen einst der Durchbruch als Schriftsteller. Zugegeben: Etwas zynisch ist seine Haltung schon. Und nüchtern. Und auch wenig romantisch. Und ja, sie mag auch nicht immer und überall zutreffend sein. Oft ist sie das aber leider. Besonders Anwälte wissen das. Rechtsvertreter sind, meist beruflich bedingt, den Scherben immer etwas näher als dem Glück. Ergo ist der Advokat überwiegend mit solchen Ehen konfrontiert, die bereits unheilsam zerrüttet sind, wie die Juristen dazu sagen.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet, wusste schon Schiller. Scheidungen können nämlich zu einem weitaus größeren Finanzproblem werden, als anfangs vermutet – besonders, wenn es nicht bei einer Scheidung bleibt. Leider wahr: Vor Gericht geht es meist ums Geld. Natürlich auch um die Kinder, den Hund. Aber schon auch ums Geld. Wer bezahlt den Kredit fürs Haus zurück? Wer muss wem Unterhalt bezahlen? Wer verzichtet darauf im Falle einer Erkrankung? Und wie wird das Ersparte gerecht aufgeteilt? Oder eben ungerecht. Immer wieder erstaunlich ist dabei, wie wenig sich die Leute im Vorfeld darüber informieren. Wie sie sich mit einer geradezu kindlichen Naivität Hals über Kopf in eine Ehe stürzen und, tatsächlich so passiert, beispielsweise nur deshalb heiraten, damit die flüchtige Urlaubsbekanntschaft nicht wieder zurück nach Südamerika reisen muss. Wenige Monate später wird aus Illusion bitterer Ernst.
Oft ist eine Trennung vom Partner gar nicht so einfach zu bewerkstelligen, wie angenommen. Soll die Ehe beispielsweise einvernehmlich geschieden werden, also auf Wunsch beider Ehegatten, muss die Lebensgemeinschaft bereits mindestens sechs Monate aufgehoben sein. Davor ist eine Scheidung nicht möglich, selbst wenn beide dies ausdrücklich wünschen. So will es das Gesetz. Noch kurioser ist die Rechtslage, wenn beispielsweise nur ein Ehegatte die Scheidung wünscht, der andere aber keinen Scheidungsgrund gesetzt hat – er also bislang weder gewalttätig noch untreu war und auch sonst keine schweren Eheverfehlungen begangen hat. In diesem Falle kann die Scheidung bis zu drei Jahre hinausgezögert werden. Erst nach drei Jahren gilt die Ehe dann als endgültig gescheitert. Sie kann dann auch gegen den Willen des anderen Partners geschieden werden.
Drei lange Jahre, in denen Mann und Frau getrennt sein müssen, aber unter Umständen nicht getrennt voneinander leben und wohnen dürfen. Wer nämlich aus der ehelichen Wohnung ohne Einverständnis des Noch-Ehepartners auszieht, riskiert, dass das Gericht dieses Verhalten als böswilliges Verlassen deutet. Die Konsequenz: Jener Ehegatte, der vom Partner verlassen wurde, kann bei Gericht die Klage einbringen – mit der begehrten Feststellung, dass den anderen Ehegatten das alleinige Verschulden an der Zerrüttung trifft. Aus diesem Grunde ist jeder gut beraten, der sich vor einem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung vom Noch-Ehegatten eine schriftliche Zustimmungserklärung unterfertigen lässt. Spätestens dann ist ein gewisser Pragmatismus gefragt.
STEPHAN KLIEMSTEIN