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Achtung, Baum fällt: Haften Nachbarn für Sturmschäden?

Wenn der Baum vom Nachbarn plötzlich ins eigene Grundstück ragt, wird das friedliche Miteinander auf eine harte Probe gestellt. Da kann es mit dem von Gegenüber noch so gut klappen – irgendwer muss für den Schaden aufkommen. Aber wer?
Nach allgemeinem Schadenersatzrecht haftet derjenige für den Schaden, der ihn verursacht hat, der dafür verantwortlich ist. Ist der Baum aufgrund eines Sturms umgefallen, handelt es sich meist um einen Fall von höherer Gewalt. Der Eigentümer des umgestürzten Baums haftet dann nur, wenn er sorgfaltswidrig gehandelt hat. Geregelt ist das in § 1319 ABGB – eine Gesetzesbestimmung, die eigentlich Bauwerke betrifft, die von den Gerichten aber analog für Bäume herangezogen wird. Für Schäden, die durch einen gesunden Baum entstanden sind, der während eines Sturms entwurzelt wird, haften Eigentümer ebenso wenig wie für Schäden, die durch natürliche, heftige Bewegungen eines Baums oder durch Thujen entstanden sind. Als gesund gelten Bäume, die nicht durch Pilzbefall, Fäule oder mechanische Verletzungen in ihrer Standkraft geschwächt sind.
Stürzt der Baum hingegen um, weil er mangelhaft beschaffen ist oder fallen deswegen Äste auf das Nachbargrundstück, kann das eine Haftung begründen. Eine solche mangelhafte Beschaffenheit liegt aber nur dann vor, wenn aufgrund des Zustandes des Baums eine besondere Gefahr ausgeht – etwa weil er krank oder morsch ist oder bei abnormen Wuchs. Für den Baumbesitzer muss diese Gefahr äußerlich erkennbar oder zumindest vorhersehbar sein. Sprich: Wenn der Baum bereits völlig verfault ist, geht von ihm eine klar erkennbare Gefahr aus. In einem solchen Fall muss der Eigentümer des Baums tätig werden und entsprechende Vorkehrungen treffen – er hat die Gefahr zu beseitigen. Juristen sprechen diesbezüglich von allgemeinen Verkehrssicherungspflichten: Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss notwendige, zumutbare Maßnahmen treffen, damit andere nicht geschädigt werden. Wer solche Sicherungsmaßnahmen unterlässt, handelt pflicht- und damit rechtswidrig.
In einem Prozess muss zunächst der Geschädigte den Schaden, die kausale Verursachung durch den umgestürzten Baum sowie dessen mangelhafte Beschaffenheit nachweisen. Der Nachbar kann sich anschließend freibeweisen, indem er das Gericht davon überzeugt, dass er die erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat, um die Gefahr abzuwenden.
Dabei dürfen die Anforderungen an den Eigentümer eines Baumes nicht überspannt werden: In der Regel müssen nur solche Vorkehrungen getroffen werden, die vernünftigerweise, nach allgemeiner Lebenserfahrung sowie nach Lage der Umstände erwartet werden können. Gerichte haben dies im Einzelfall zu prüfen und zu beurteilen. Das Höchstgericht erachtete es beispielsweise als ausreichend, dass der Beklagte regelmäßig – zuletzt kurz vor dem Unfall – Sichtkontrollen durchgeführt und bedenkliche Bäume entfernt hat. Er hatte keine einschlägige Ausbildung und keine Fachkenntnisse als Forstwirt und wurde von ihm daher lediglich erwartet, dass er allgemein sichtbare Krankheiten und Beschwerden eines Baums erkennt, dazu zählen etwa Fäulnismerkmale.
Gewisse Anhaltspunkte zu den Anforderungen der Verkehrssicherungspflichten finden sich in der Önorm L 1122, eine spezielle Önorm für die Baumpflege und Baumkontrolle. Vereinfacht lässt sich sagen: Gibt es keine konkreten Verdachtsmomente, sind regelmäßige Kontrollen durch den Eigentümer ausreichend. Im Rahmen einer solchen Prüfung, die zumindest einmal im Jahr stattfinden und zu Beweiszwecken dokumentiert werden sollte, empfiehlt es sich vor allem die Standfestigkeit und die allgemeine Beschaffenheit des Baumes zu kontrollieren.
Ja nach Standort, Zustand und Alter der Bäume können häufigere, auch genauere Untersuchungen erforderlich sein – insbesondere dann, wenn es bereits in der Vergangenheit zu Vorfällen gekommen ist oder besondere Witterungsbedingungen dies erforderlich machen. Auch vorbeschädigte Bäume müssen häufiger kontrolliert werden, gefährliche Bäume sind jedenfalls sofort zu entfernen. Bestehen konkrete Verdachtsmomente, die eine Gefahrensituation nahelegen, ist eine fachliche Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuraten. Die rechtzeitige Beiziehung eines Fachmanns und die Befolgung seiner Expertise können später in einem Gerichtsverfahren enorm wichtig sein.
STEPHAN KLIEMSTEIN