Nun sag, wie hast du’s mit der Chemie? Unter Gartenbesitzern ist es beinahe so etwas wie eine Glaubensfrage: Wie lassen sich Unkraut und Schädlinge am effektivsten beseitigen – mit Gift oder doch lieber mit natürlichen Methoden? Nicht selten führt der Einsatz von chemischen Mitteln zu erbitterten Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Chemie-Freiheit oder Nachbarschaftsschutz?
Grundsätzlich sollte unter Nachbarn das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme gelten. Was aber, wenn das Gift von nebenan zur unzumutbaren Belästigung wird? Grundlage des Nachbarschaftsrechtes ist das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB). Es regelt, wie sich Nachbarn untereinander zu verhalten haben, was sie hinnehmen und was sie nicht dulden müssen. Gerüche und folglich auch der Gestank von Pflanzenschutzmitteln können Emissionen darstellen, gegen die sich Nachbarn mittels Unterlassungsklage zur Wehr setzen können. Es müssen dafür aber bestimmte Voraussetzungen vorliegen: Nur wenn die Geruchsbelästigung das ortsübliche Maß überschreitet, wird geprüft, ob der Nachbarschutz höher wiegt als die Freiheiten des Grundstückeigentümers. Letzterer darf bei der Bekämpfung von Unkraut und Schädlingen nämlich grundsätzlich auf chemische Produkte und Pestizide zurückzugreifen, sofern sie bewilligt beziehungsweise freigegeben wurden.
Kann der Einsatz von Pestiziden immer untersagt werden?
Nein. Nur wenn durch den Gift-Einsatz die normale Benützung des Nachbargrundstückes wesentlich beeinträchtigt, sind rechtliche Maßnahmen zur Unterbindung möglich. Allerdings kommt es bei der Beurteilung dieser Frage nicht auf die subjektive Wahrnehmung der beeinträchtigten Nachbarn an, sondern vielmehr auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen. In gerichtlichen Verfahren haben dies vorwiegend Sachverständige zu beurteilen.
Einmal ist keinmal
Eine einmalige Geruchsbelästigung, die sich nicht ständig wiederholt und eine bestimmte Intensität nicht überschreitet, wird in der Regel nicht ausreichen, um den Nachbar gerichtlich zu einer Unterlassung verpflichten zu können. Um als wesentlich zu gelten, müssen die Emissionen von Dauer sein und auch eine gewisse Konzentration aufweisen. Die Zumutbarkeit oder Erheblichkeit einer Geruchsemission bezieht sich dabei immer auf ein gesundes, normal empfindendes Kind oder einen Erwachsenen. Als Einflussfaktoren gelten die Häufigkeit, Intensität, Qualität und Hedonik einer Geruchseinwirkung. Auch regionale Aspekte sind von Relevanz: In Gegenden mit einer hohen Dichte an Landwirtschaften haben Anwohner den Gestank von Gülle regelmäßig hinzunehmen, weil es ein gängiges Düngemittel von Bauern darstellt.
Verunreinigung durch Pflanzengift
Während es bei Geruchsbelästigungen oft schwierig nachzuweisen ist, dass das zulässige Emissionsmaß überschritten wurde, lassen sich Verunreinigungen infolge des Einsatzes von Pflanzengift meist besser feststellen. Weil solche Beeinträchtigungen, etwa eine Verschmutzung des Brunnenwassers, in der Regel ortsunüblich sind, müssen Nachbarn sie nicht tolerieren. Weitaus komplexer und diffiziler ist die Beweisführung dagegen beim sogenannten Pestizidabdrift – wenn bei der Anwendung von Pestiziden ein Sprühnebel entsteht, der Gifte auf das Nachbargrundstück verweht.
Regelungen in Landesgesetzen
Spezifische Regelungen zum Umgang und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln finden sich in Landesgesetzen wie dem Salzburger Pflanzenschutzmittelgesetz aus dem Jahr 2014. Darin heißt es etwa: Sind durch die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nachteilige Auswirkungen auf fremde Nachbargrundstücke zu erwarten oder eingetreten, müssen die betroffenen Eigentümer unverzüglich verständigt werden und zwar vom Anwender – also vom Nachbarn oder dem Gärtner, den dieser beauftragt hat. Wer das verabsäumt, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro sanktioniert werden kann.
Behörden haben weitrechende Befugnisse
Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften kontrollieren zu können, wurden die Behörden mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet: Konkret dürfen Organe der Bezirksverwaltungsbehörden, die Pflanzenschutzstelle und anerkannte Pflanzenschutzeinrichtungen Grundstücke betreten, Auskünfte verlangen, Einsicht in Unterlagen nehmen und Proben entnehmen. Nötigenfalls dürfen sie dabei auch Zwang anwenden.
STEPHAN KLIEMSTEIN