Wer wie der wohl berühmteste Wistleblower „Deep Throat“, der einst den „Watergate-Skandal“ ins Rollen brachte, geheime Informationen an die Öffentlichkeit weitergibt, lebt nicht nur gefährlich, sondern bewegt sich auch juristisch auf dünnem Eis. Der VW-Skandal, die Dopingaffäre bei russischen Leichtathleten, Ibiza, der FPÖ-Spesenskandal, der ÖVP-Spendenskandal, das blaue Gold. Wie weit darf investigativer Journalismus gehen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen?
In Deutschland haben vor allem die Recherchen von Günter Wallraff maßgeblich zur Rechtsfortbildung beigetragen: 1977 hatte sich Wallraff undercover bei der Bild-Zeitung eingeschleust und über schwere journalistische Missstände und unsaubere Recherchemethoden berichtet. Im sogenannten „Wallraff-Beschluss“ wertete das deutsche Bundesverfassungsgericht damals die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst – es bedürfe aber einer fallbezogenen Zweck-Mittel-Relation, also einer Abwägung der Interessen. Nur wenn die Bedeutung für die Öffentlichkeit die Nachteile, etwa die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, überwiegt, darf illegal beschafftes Material veröffentlicht werden.
In Österreich ist die Rechtslage ähnlich: Aufdecker-Stories sind ein rechtliches Minenfeld, sowohl für die Hinweisgeber als auch für Journalisten. In zahlreichen Gesetzen finden sich Vorschriften, welche die Privatsphäre, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, personenbezogene Daten, aber auch das Recht am eigenen Bild und das gesprochene Wort schützen. Verdeckte Recherchen und ein Einsatz von Abhörgeräten sind nur dann erlaubt und folglich nicht strafbar, wenn die Informationen von besonderem Wert sind und auf andere Weise nicht beschaffen werden können – wenn also durch die Berichterstattung grobe Missstände aufgedeckt werden und dies sonst nicht möglich ist.
Auch im Ehrenkodex der österreichischen Presse ist verankert, dass Journalisten bei der Informationsbeschaffung grundsätzlich keine unlauteren Methoden anwenden dürften und der Einsatz von Abhörgeräten unzulässig ist, es sei denn die Informationen sind von „besonderem öffentlichen Interesse“ oder es droht eine „Irreführung der Öffentlichkeit“. Auch der Gesetzgeber scheint sich der Relevanz von Wistleblowern inzwischen bewusst zu sein. Schutzvorschriften für Tippgeber finden sich beispielsweise im Börsegesetz, im Bankwesengesetz und im Wettbewerbs- und Kartellrecht. Nach der EU-Geheimnisschutzrichtlinie aus dem Jahr 2016 ist die Offenlegung illegaler Aktivitäten nicht strafbar, wenn dies dem öffentlichen Interesse dient. Erst am 23. Oktober 2019 beschloss das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie “zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden”. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 17. Dezember 2021 Zeit, die Vorschriften national umzusetzen.
STEPHAN KLIEMSTEIN