Wenn internationale Ehen schiefgehen. Auch wenn man in der EU einiges vereinfacht hat: Scheidungen über Grenzen hinweg stecken voller Fallstricke.
Mit zunehmender Globalisierung und verstärkter Mobilisierung nimmt auch die Zahl der binationalen Ehen, in denen ein Ehegatte nicht österreichischer Staatsangehöriger ist, weiter zu. Inzwischen ist jede dritte Ehe in Österreich international, soll heißen: Zumindest ein Ehepartner verfügt über eine fremde Staatsbürgerschaft, manchmal sind es sogar beide. Schon 2005 begründete jede vierte Trauung eine binationale Ehe.
Rechtlich kompliziert wird es allerdings, wenn familiäre Auseinandersetzungen eskalieren und Ehen mit Auslandsbezug geschieden werden müssen. Das ist keine Seltenheit: Statistiken zufolge werden Ehen zwischen Personen aus unterschiedlichen Herkunftsländern deutlich häufiger geschieden als jene, die zwischen Inländern geschlossen werden. Grenzüberschreitende Sachverhalte, besonders in Familienangelegenheiten, sind komplex. Neben den eigentlichen Ansprüchen gilt es zunächst zu klären, welches Gericht zuständig und welches Recht anwendbar ist. Ist der Wohnort, die Staatsbürgerschaft oder der Ort der Eheschließung maßgeblich?
Wo wird geschieden?
Um klären zu können, welches Gericht für eine Scheidung zuständig ist, gilt es in der Regel zunächst festzustellen, welches Recht im konkreten Fall zur Anwendung gelangt. Dazu müssen verschiedene Rechtssysteme analysiert und mit dem nationalen Kollisionsrecht abgeglichen werden – ein aufwändiges Unterfangen. Mit dem Ergebnis der Prüfung ist nicht jeder zufrieden. Wer will schon in einem Land klagen, dessen Rechtsordnung er selbst und oft auch der Anwalt des Vertrauens nicht kennt? Zwar gibt es eine Reihe internationaler Abkommen und seit 29. Jänner dieses Jahres auch zwei neue EU-Verordnungen, die in gewissen Bereichen des Eherechtes eine Vereinfachung bringen sollen. Scheidungen mit internationalem Bezug bereiten Juristen aber nach wie vor Kopfschmerzen.
Deshalb ist eine Rechtswahl so wichtig
Scheidung, Unterhalt, Obsorge: Nationale Rechtsordnungen enthalten zu familienrechtlichen Themen oft ganz unterschiedliche Regelungen, die von Land zu Land stark abweichen können. Beispielweise gibt es die einvernehmliche Scheidung, wie wir sie in Österreich kennen, in anderen Ländern nicht. Andererseits müssen nach manchen ausländischen Rechtsordnungen für eine Scheidung bestimmte Gründe vorliegen, was hierzulande nicht zwingend der Fall sein muss. Die Ungewissheit darüber, welche Spieregeln in der Ehe gelten, verunsichert viele. Wer geordnete Verhältnisse schätzt, sollte daher mit seinem Partner eine Rechtswahl treffen. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung können beide Ehegatten – ungeachtet der gesetzlichen Vorgaben – bestimmen, welches Recht im Falle einer Trennung zur Anwendung gelangen soll. Das kann entweder das Recht jenes Staates sein, dessen Staatsangehörigkeit zumindest einer der Ehegatten besitzt, oder aber das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl. Beide Eheleute können bestimmen, ob ihre Rechtswahl nur für bestimmte Bereiche – etwa Scheidung, Ehegattenunterhalt oder Güterstand – oder für alle Fragen, die in einer Ehe von Relevanz sein können, gelten soll. Zwar kann eine solche Vereinbarung jederzeit wieder geändert werden, allerdings nur im Einvernehmen mit dem Partner. Stimmt dieser nicht zu, ist die Rechtswahl bindend. Leichtfertige Entscheidungen können daher weitreichende Folgen nach sich ziehen.
Kein Formzwang
Für eine individuelle Rechtswahl zwischen den Ehegatten gibt es grundsätzlich keine besonderen Formvorschriften. Folglich steht es beiden Partnern frei, auch ohne Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes solche Vereinbarungen aufzusetzen – aus Beweisgründen sollte sie schriftlich sein und ein Datum sowie die Unterschrift beider Ehegatten aufweisen. Allerdings birgt das eigenständige Verfassen juristischer Dokumente immer gewisse Risiken und Unschärfen. Zudem sehen manche nationalen Vorschriften für gewisse Rechtsbereiche die Notariatsaktform vor. Die Nichtbeachtung kann die Ungültigkeit einer Vereinbarung zur Folge haben.
Welches Recht gilt ohne Vereinbarung?
Mangels Vereinbarung sind die gesetzlichen Vorgaben maßgeblich. Das Ehegüterrecht, welches die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten regelt, unterliegt beispielsweise dem Recht jenes Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ohne einen solchen gemeinsamen Aufenthalt, ist die Staatsangehörigkeit beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung relevant. Lässt sich auch auf diese Weise kein anzuwendendes Recht ermitteln, gilt die Rechtsordnung jenes Staates, zu dem die Ehegatten die engste gemeinsame Verbindung haben.
Was gilt es sonst zu beachten?
Wer vor hat, eine binationale Ehe einzugehen, sollte sich vorab über alle möglichen Rechtsfolgen und Konsequenzen umfassend informieren. Oft wird das von Frischverliebten als wenig romantisch empfunden. Sich für den Ernstfall nicht abzusichern, ist aber ziemlich naiv. Leichtsinn unter Liebenden kann nämlich zu jahrelangen, komplexen und entsprechend teuren Gerichtsverfahren führen.
STEPHAN KLIEMSTEIN