Bewertungen im Internet sind praktisch, aber nicht immer wahr. Wer seinen Unmut postet, sollte vorsichtig sein.
Inzwischen wird ja alles und jeder bewertet. Ob Hotels, Restaurants, Ärzte oder Installateure. Im Netz sind sie alle der permanenten Kritik ausgesetzt, auf Bewertungsplattformen wie TripAdvisor oder kununu. Ungerechtfertigte Beschwerden oder gar Erpressungsversuche gab es zwar auch schon vor dem World Wide Web. Durch die zunehmende Nutzung als Kommunikationsmittel, die Reichweite und die permanente Verfügbarkeit des Internets, sind Online-Bewertungen für das Wirtschaftsleben heute von essentieller, manchmal sogar von existenzieller Bedeutung – und für Unternehmer mal Segen, mal Fluch. Nicht immer wird beim „Raten“ fair gespielt. Was ist erlaubt, was nicht?
Meinung schreiben, aber sachlich bleiben
Kürzlich im Restaurant des Vertrauens: Eine junge Britin beschwert sich darüber, dass die Fischplatte am Vortag sehr viel größer gewesen sei. Entweder gebe es jetzt einen Preisnachlass auf die Rechnung oder aber eine schlechte Bewertung bei TripAdvisor, sagt die Frau, das Handy bereits im Anschlag. Rechtlich kann das durchaus problematisch sein, unter Umständen sogar als Nötigung gewertet werden, was strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Fingierte Beschwerden dienen aber nicht immer nur dazu, sich ein bisschen Geld zu sparen. Konkurrenten missbrauchen Bewertungsplattformen als unlauteres Mittel, um Mitbewerber zu denunzieren und herabzusetzen: Der Mitarbeiter am Empfang sei unhöflich gewesen, der Handwerker zu teuer und der Zahnarzt zu grob. Alles Fake. Natürlich sind solche Postings völlig unzulässig und können weitreichende Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. Wahre Dinge darf man hingegen sagen, auch wenn sie manche als unbequem empfinden mögen.
Je detaillierter, desto besser
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Bewertungen begründet werden müssen. Das ist falsch. Es ist selbstverständlich zulässig, Sterne ganz ohne Begründung zu vergeben. Problematisch könnte das nur sein, wenn der Nutzer beispielsweise in Wahrheit nie Kontakt zum Unternehmen, über das er sich beschwert, hatte. Wird die schlechte Bewertung hingegen begründet, so sollte die Kritik sachlich und möglichst frei von Emotionen bleiben. Also: Tief durchatmen, bevor man tippt. Je präziser und detaillierter die Ausführungen, desto besser. Überhaupt sollten die Wahrnehmungen faktenbasiert und nachvollziehbar beschrieben werden, um keine Angriffsfläche zu bieten. In der Regel sind sogar zugespitzte oder polemische Äußerungen über Personen und Unternehmen zulässig, der Inhalt des Postings muss aber immer wahr und darf nicht beleidigend sein. Bei der Beurteilung, was gerade noch in Ordnung und wo die Grenze bereits überschritten ist, wird zwischen Meinungsfreiheit und den Interessen des Unternehmers abgewogen. Dabei bleibt oft nur ein schmaler Grad zur Kreditschädigung, Verleumdung oder Beleidigung. Äußerungen wie „das Essen hat mir nicht geschmeckt“ sind als Werturteil immer zulässig. Werden aber Tatsachen behauptet, etwa dass der Wirt das Weinglas nicht bis zum Eichstrich aufgefüllt habe, so muss diese Behauptung als wahr nachgewiesen werden können, ansonsten haftet der Verfasser. Betroffene können entweder gegen den Poster selbst oder gegen den Betreiber des Bewertungsportals rechtlich vorgehen, wenn dieser den Eintrag trotz Kenntnis nicht sofort löscht. Lügen, Beschimpfungen und andere Verunglimpfungen sind immer problematisch und sollten vermieden werden. Prozesse wegen übler Nachrede oder Kreditschädigung im Netz beschäftigen regelmäßig die Gerichte und die Verfahren ziehen sich oft über Jahre, was am Ende teuer sein kann.
Wenn aus Bewertungen Cyber-Crime wird
Immer wieder kommt es vor, dass ehemalige Mitarbeiter dem Chef oder dem Betrieb mit unwahren Bewertungen schaden wollen. Die Bandbreite der Hasseinträge reicht dabei von üblen Beschimpfungen bis hin zur Bezichtigung konkreter Straftaten: Der Inhaber sei ein Betrüger, würde die Hygienevorschriften nicht beachten oder Schwarzgeld kassieren. Solche Vorwürfe müssen einem Wahrheitsbeweis jedenfalls standhalten können, anderenfalls drohen Strafverfahren wegen Verleumdung und Klagen wegen Schadenersatzansprüchen. Die Identität des Nutzers, der die Einträge gepostet hat, kann meist nur die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermitteln. Voraussetzung dafür ist eine Strafanzeige. Eine starke Waffe im Kampf gegen Lügen und Denunzierungen, die im Netz über einen längeren Zeitraum veröffentlicht werden, ist dabei der relativ junge „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“, kurz: Cyber-Mobbing. Danach ist strafbar, wer Personen in der Lebensführung über eine längere Zeit unzumutbar beeinträchtigt. Strafrahmen: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
STEPHAN KLIEMSTEIN