Gelten elektronische Nachrichten, die im Spam-Ordner landen, als zugestellt? Der OGH hat entschieden.
Ein Zivilprozess. Wieder einmal geht es um Zustellprobleme. Und um die Frage, ob zwischen den streitenden Parteien ein Vertrag wirksam zustande gekommen ist. Der Beklagte behauptet nämlich, er hätte die per E-Mail übermittelten Unterlagen nie erhalten, diese müssten wohl im Spam-Ordner (ein Postfach für unerbetene Werbe-Nachrichten, Anm.) gelandet sein. Mangels Kenntnis sei auch kein gültiger Vertrag abgeschlossen worden. Mag sein, dass es sich bei solchen Erklärungsversuchen oftmals um reine Schutzbehauptungen handelt. Rechtlich ist die Sache trotzdem kompliziert: Wurde ein Schreiben, das im Spam-Ordner gelandet ist, nun zugestellt oder nicht?
Nach den allgemeinen Beweislastregeln muss grundsätzlich der Absender den Zugang einer E-Mail nachweisen, das gilt für elektronische Nachrichten ebenso wie für Postsendungen. Mit dem Unterschied, dass die Beweisführung bei E-Mails oft deutlich schwieriger, ja der Versender mitunter gar nicht in der Lage ist, den Empfang nachzuweisen. Deshalb sollten wichtige Mitteilungen immer nur per Einschreiben oder als Fax-Nachricht verschickt werden. Nur so lässt sich die Zustellung rechtssicher dokumentieren und in einem Prozess nachweisen.
Bei E-Mails sind die Gerichte hingegen meist skeptischer: Bereits 2007 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) klargestellt, dass eine Sendebestätigung kein ausreichender Zustellnachweis ist. Eine E-Mail im „Gesendet“-Ordner bestätige nämlich nur, dass die Nachricht versandt wurde – nicht aber, dass sie auch tatsächlich zugegangen ist. Selbst eine Lesebestätigung kommt laut Höchstgericht als Nachweis nicht in Frage, weil solche Bestätigungen in der Regel unsigniert, fälschbar und auch veränderbar seien. Aus Sicht des OGH bestünde auch kein Beweisnotstand, schließlich kann sich der Absender den Empfang ja jederzeit auf einem sicheren Kommunikationsweg bestätigen lassen, etwa mittels Antwortmail oder durch telefonische Rückfrage. In der Praxis ist das heute freilich nur noch schwer vorstellbar. Aus diesem Grunde wurde die Entscheidung von manchen als nicht mehr zeitgemäß kritisiert.
Deutlich lebensnaher erscheint da eine heuer ergangene Entscheidung des OGH, wonach E-Mails, die im Spam-Ordner landen, als zugestellt gelten. Nach der Rechtsprechung der Gerichte gehört die Mailbox des Empfängers zu seinem Machtbereich, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist. Im E-Commerce-Gesetz (ECG) ist zudem geregelt, dass E-Mails als zugegangen und abrufbar anzusehen sind, sobald sie in der Mailbox eingelangt und gespeichert sind und am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden können – sobald also ein Abruf durch den Empfänger theoretisch möglich ist. Ob die E-Mail dann tatsächlich abgerufen wird, ist für die Frage der Zustellung unerheblich, es genügt vielmehr die bloße Möglichkeit, Kenntnis von der Nachricht zu erlangen.
Für die Praxis ist das in vielerlei Hinsicht von Bedeutung: Natürlich muss der Übermittler zunächst – wie bisher – nachweisen, dass die gesendete Nachricht in der E-Mailbox des Empfängers eingelangt ist. Gelingt ihm dieser Nachweis, so gilt die E-Mail als zugestellt, unabhängig davon, ob sie tatsächlich gelesen wurde oder ob sie möglicherweise im Spam-Ordner gelandet und in weiterer Folge verloren gegangen ist. Für den Versender erleichtert das die Beweisführung massiv. Vor allem Unternehmen, die mit Verbrauchern kontrahieren, dürften von der Entscheidung profitieren. So war es auch beim Anlassfall: Ein Unternehmer hatte einem Konsumenten die Informationen über sein Rücktrittsrecht an die von ihm angegebene E-Mail-Adresse gesendet. Der Kunde behauptete anschließend, von der E-Mail nie Kenntnis erlangt zu haben, weil sie unbeachtet im Spam-Ordner gelandet sei. Hintergrund: Konsumenten haben bei bestimmten Geschäften ein Rücktrittsrecht. Dieses erlaubt ihnen, ohne Angaben von Gründen vom Vertrag zurücktreten. Besonders bei Maklerverträgen und Vermittlungsprovisionen wird davon häufig Gebrauch gemacht, teilweise mit bösen Absichten. Die Frist für einen solchen Rücktritt beträgt 14 Tage, sie beginnt aber erst zu laufen, wenn der Verbraucher nachweislich über das Rücktrittsrecht belehrt wurde. Anderenfalls verlängert sich die Frist um 12 Monate.
Das Höchstgericht entschied, dass dem Verbraucher die Informationen über das Rücktrittsrecht ordnungsgemäß zugestellt wurden, obwohl sie unbeachtet im Spam-Ordner gelandet waren. Ausschlaggebend war, dass die Nachricht an die vom Kunden selbst angegebenen E-Mail-Adresse verschickt wurde und tatsächlich einlangte. Wer dem Spam-Ordner und seinem Inhalt also bislang nur wenig oder gar keine Beachtung geschenkt hat, ist gut beraten, künftig sorgfältiger zu sein.
STEPHAN KLIEMSTEIN