Von kalten Anrufen und Klinkenputzern: Wenn der Außendienstler zweimal klingelt.
Das Telefon läutet, die Nummer ist unterdrückt. Eine charmante Dame am anderen Ende der Leitung schwärmt von Angeboten, die man nicht ablehnen könne. Ob sie kurz stören dürfe? Wenig später, es klingelt wieder. Ein Mitarbeiter eines Meinungsforschungsinstituts grüßt auffallend freundlich. Dieses Mal geht um eine Umfrage, die dauert „eh nur wenige Minuten“. Was die Herrschaften nicht erwähnen: Jemanden zu Werbezwecken zu kontaktieren, ohne eine entsprechende Einwilligung zu haben, ist in Österreich seit vielen Jahren gesetzlich untersagt. Bislang zeigten sich viele Firmen davon unbeeindruckt. Doch spätestens seit Inkrafttreten der neuen Datenschutzbestimmungen im Mai des vorherigen Jahres ist das Gros der Unternehmer sensibilisiert, viele sind irritiert: Wie soll man neue Kunden akquirieren, wenn man sie nicht kontaktieren darf? Marketingabteilungen und Vertriebler stehen vor – vermeintlich neuen – Herausforderungen.
Was ist Kaltakquise?
Unter Kaltakquise versteht man die Kontaktaufnahme zu potenziellen Kunden, die noch keine Geschäftspartner sind. Solche unerbetenen Nachrichten – Anrufe, Telefaxe oder E-Mails – sind nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) strengstens verboten, wenn sie zu Werbezwecken erfolgen. Das gilt grundsätzlich auch im Social-Media-Bereich. Weit verbreitet ist auch der Irrtum, „Cold Calling“ sei lediglich in Bezug auf Konsumenten und Endverbraucher (B2C) illegal. Höchstgerichte haben längst klargestellt, dass das Verbot auch zwischen Unternehmern gilt (B2B). Als Warmakquise bezeichnet man übrigens den Versuch, bestehende Geschäftskontakte zu reaktivieren, sie gewissermaßen „aufzuwärmen“. Auch das kann unter Umständen problematisch sein, wenn etwa von Anfang an klar ist, dass der Empfänger kein Interesse daran hat, kontaktiert zu werden oder Produkte angeboten werden, die der Kunde nie bestellt hat.
Was darf man überhaupt noch?
Vom TKG nicht umfasst sind Postsendungen, diese sind also grundsätzlich erlaubt. Empfänger können der Zusendung von Werbematerial aber widersprechen. In diesem Fall darf ihnen ab dem Zeitpunkt des Widerspruchs nichts mehr zugeschickt werden. Eine oft gestellte Frage: Ist es erlaubt, eine Einwilligung zur Übermittlung von Werbe-Mails telefonisch einzuholen? Nein! Bereits der Anruf selbst stellt eine unerlaubte Kontaktaufnahme und somit einen Verstoß gegen § 107 TKG dar. Während nicht autorisierte Telefonate und Telefaxe per se unzulässig sind, dürfen E-Mails in gewissen Fällen auch ohne vorherige Genehmigung verschickt werden. Allerdings ist dies nur sehr eingeschränkt zulässig: Der Unternehmer muss die Kontaktdaten direkt vom Kunden erhalten haben, beispielsweise im Zuge einer Bestellung – der Erwerb von Daten über einen Adressverlag zählt nicht dazu. Weiters dürfen mit der E-Mail nur solche Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden, die der Kunde bereits zu einem früheren Zeitpunkt beim Versender bestellt hat. Ausschlaggebend ist dabei die Ähnlichkeit der Produkte. Abschließend muss der Kunde die Möglichkeit haben, den Empfang in Zukunft jederzeit kostenlos und unkompliziert ablehnen zu können. Hat der Kunde den Erhalt von Werbung bereits im Vorhinein abgelehnt, indem er sich beispielsweise in die „E-Commerce-Gesetz-Liste“ eintragen hat lassen, dürfen ihm keine E-Mails geschickt werden.
Was gilt als Werbung?
Nach der Definition des Obersten Gerichtshofs ist der Werbe-Begriff sehr weit gefasst: Als „Werbezweck“ gilt „jede Äußerung bei der Ausübung des Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz der Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern“. Im Zweifel ist daher von Werbung auszugehen. Wichtig: Werbe-Mails sind nach dem E-Commerce-Gesetz (ECG) entsprechend zu kennzeichnen. Für den jeweiligen Empfänger muss dabei sofort und unmissverständlich klar sein, dass es sich bei der Nachricht um Werbung handelt. Zudem benötigen solche Nachrichten ein Impressum, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Für Anrufe gilt, dass die Rufnummernanzeige nicht unterdrückt werden darf.
Welche Strafen drohen?
Wer gegen das Werbeverbot verstößt, muss mit empfindlichen Strafen von bis zu Euro 58.000 rechnen. Auch das Versenden anonymer E-Mails oder das Unterdrücken oder Verfälschen der Rufnummernanzeige ist mit bis zu Euro 37.000 sanktioniert. Darüber hinaus sind unerbetene Nachrichten wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerbs (UWG), sodass bei Verstößen Klagen von Mitbewerbern drohen.
STEPHAN KLIEMSTEIN