AllgemeinWenn Ärzte nicht richtig aufklären

April 14, 2019

Krank durch Arzt: Welche Rechte Patienten haben.

Man kann sich als Patient noch so ausführlich informieren, vorbereiten und mit einer zweiten Meinung absichern – am Ende müssen wir den Ärzten vertrauen. Aber auch bei den Göttern in Weiß läuft nicht immer alles fehlerfrei. Was tun, wenn der Mediziner krank statt gesund macht?

Wann haften Ärzte?

Ärzte müssen ihre Patienten qualifiziert und sorgfältig nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst (lege artis) behandeln. Vorab ist über die Vor- und Nachteile und über die Risiken der Behandlung aufzuklären. Wie intensiv und umfangreich diese Aufklärung sein muss, ist schwer zu beantworten und hängt von vielen Faktoren ab: Handelt es sich um einen dringend gebotenen Eingriff? Schwebt der Patient womöglich sogar in Lebensgefahr? Oder verfolgt der Eingriff bloß kosmetische Zwecke? Grundsätzlich gilt: Je unwichtiger der Eingriff, desto ausführlicher muss der Arzt aufklären.

Schreiben ist Silber, sprechen ist Gold

Jüngst hat der Oberste Gerichtshof (OGH) entschieden, dass ein unterschriebener Aufklärungsbogen ein ärztliches Gespräch nicht ersetzen kann. Weil es zeitlich oft gar nicht anders möglich sei, bekommen Patienten in manchen Fällen nur einen sogenannten Compliance-Bogen ausgehändigt, den sie lesen und anschließend unterfertigen müssen. Darin werden die Risiken und Gefahren des jeweiligen Eingriffs beschrieben, häufig jedoch sehr vage und allgemein. In jenem Fall, den das Höchstgericht bewerten musste, holte ein Arzt über die Tochter der Patientin eine schriftliche Zustimmungserklärung vor der Operation ein. Der Aufklärungsbogen enthielt sogar einen Hinweis auf die „seltene“ Komplikation des Eingriffs, die sich in der Folge verwirklicht hat. Jedoch fand ein persönliches Gespräch nie statt. Genau das wurde dem Mediziner zum Verhängnis: Denn ohne ein solches Patientengespräch sei eine wirksame Aufklärung nicht möglich, urteilte das Höchstgericht.

Wie läuft ein Gerichtsverfahren ab?

Sachverständige spielen in Arzthaftungsfällen fast immer eine zentrale Rolle. In der Regel kann nämlich nur ein einschlägig qualifizierter medizinischer Sachverständiger beurteilen, ob die Behandlung lege artis durchgeführt wurde und über welche Gefahren der Arzt aufklären hätte müssen. Arzt bewertet Arzt – da rechnen sich viele Geschädigte keine allzu großen Chancen vor Gericht aus. Eine weit verbreitete Meinung lautet daher: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.“ Oder: „Da hat man doch sowieso keine Chance.“ Ein Irrglaube. Denn besonders die strengen Vorgaben zur Aufklärungspflicht, die nicht immer eingehalten werden, sind Dreh- und Angelpunkt zahlreicher Prozesse und nicht selten der Grund, weshalb Ärzte beziehungsweise ihre Haftpflichtversicherer für Kunstfehler zur Verantwortung gezogen werden.

Wen trifft die Beweislast?

Im Prozess muss der Geschädigte das grundsätzliche Vorliegen eines Kunstfehlers beweisen. Hinsichtlich der Frage, ob dieser Behandlungsfehler kausal für den erlittenen Schaden war, findet jedoch eine Beweislastumkehr statt: Steht ein ärztlicher Behandlungsfehler fest und hat der Kunstfehler die Wahrscheinlichkeit eines Schadens nicht bloß unwesentlich erhöht, muss der behandelnde Arzt nachweisen, dass seine Fehlbehandlung mit größter Wahrscheinlichkeit nicht kausal für den Schaden des Patienten war. Er muss sich also „freibeweisen“. Was die Verletzung der Aufklärungspflicht betrifft, ist ebenfalls der Arzt beweispflichtig, er muss nämlich nachweisen, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zu der ärztlichen Maßnahme erteilt hätte. Ein solcher Nachweis wird ihm wohl misslingen, wenn der Patient vor Gericht aussagt, dass er bei Kenntnis des Risikos keinesfalls in die Behandlung eingewilligt hätte.

Welche Ansprüche können geltend gemacht werden?

Hat der Arzt einen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu verantworten, muss er dem Patienten den erlittenen Schaden ersetzen. Als mögliche Ansprüche sind neben Heilungs- und Pflegekosten, auch Verdienstentgang, Schmerzengeld, ein Ersatz für Verunstaltungen sowie Unterhaltsforderungen von Angehörigen, bis hin zur Refundierung von Parktickets und Kilometergeld denkbar.

Welche Fristen sind zu beachten?

Grundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Die Frist beginnt ab Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen. Nach spätestens 30 Jahren verjähren Schadensersatzansprüche, egal ob der Patient von der Fehlbehandlung erfahren hat oder nicht.

STEPHAN KLIEMSTEIN