Mit der Geoblocking-Verordnung soll der Kauf im Netz fairer werden. Was Europas Internethändler künftig beachten müssen.
Über den Clouds wird die Freiheit bald grenzenlos sein, so hätte es Reinhard Mey vielleicht formuliert. Grenzüberschreitendes Online-Shopping soll einfacher und fairer werden. Ganz im Sinne eines digitalen Binnenmarktes. Viel zu häufig werden europäische Verbraucher daran gehindert, in anderen EU-Ländern Waren zu bestellen.
In Frankreich gibt es Webshops mit tollen Mode-Angeboten, heißt es. Doch versucht der Kunde von Österreich aus, auf die Plattform zu gelangen, wird er automatisch auf eine österreichische Version der Seite weitergeleitet, wo die gewünschten Kleidungsstücke gar nicht verfügbar sind oder viel teurer. Geoblocking heißt das. Ab dem 3. Dezember 2018 werden solche regionalen Einschränkungen weitgehend aus dem europäischen Online-Shopping verbannt. Dann gelten die neuen Regeln der Geoblocking-Verordnung.
Was ist Geoblocking?
Geoblocking bezeichnet eine Technik, bei der Internet- oder Shoppingseiten für bestimmte Regionen oder Länder gesperrt werden. Besonders große Onlineshops profitieren davon. Laut einer Untersuchung der EU-Kommission verwenden aber fast zwei Drittel aller Websites ein solches Geoblocking-System, darunter befinden sich auch viele kleine Online-Händler.
Gilt die Verordnung nur für Verbraucher?
In erster Linie gilt die Verordnung im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher (B2C). Wenn zwei Unternehmer einen Vertrag miteinander abschließen (B2B), gelten die Bestimmungen nur dann, wenn die Waren zum Zwecke der Endnutzung erworben werden – nicht aber, wenn der Käufer die Waren selbst weiterverkaufen will. Das Geoblocking-Verbot gilt im Übrigen nicht unbeschränkt: Ausgenommen sind soziale Dienstleistungen, Finanzdienstleistungen, Verkehrsdienstleistungen, audiovisuelle Dienstleistungen wie Streamingdienste und Gesundheitsdienstleistungen.
Weitreichende Änderungen
Jeder Verbraucher muss künftig die Möglichkeit haben, mit Online-Händlern im EU-Ausland Verträge abzuschließen. Webshop-Betreiber müssen die Ware zwar nicht ins Ausland liefern, sie haben aber zumindest die Abholung zu ermöglichen und müssen auch eine durch den Kunden selbst organisierte Lieferung akzeptieren. Zulässig ist es weiterhin, nur bestimmte Länder zu beliefern oder andere Länder von der Lieferung auszuschließen. Aber auch in diesem Fall müssen die Kunden aus einem nicht belieferten Land die Möglichkeit haben, die Ware abzuholen oder die Lieferung selbst zu organisieren. Vereinfacht gesagt: Verbraucher haben das Recht, Waren und Dienstleistungen im Land des Anbieters zu den gleichen Bedingungen bestellen zu können wie Einheimische („shop like a local“, übersetzt: Shoppen wie ein Einheimischer).
Was ist künftig verboten?
Unzulässig ist es, den Zugang zu Webseiten aus Gründen des Wohnsitzes, der Staatsangehörigkeit oder der Niederlassung zu sperren oder zu beschränken. Gemeint sind damit generelle Sperren im Sinne einer Nicht-Aufrufbarkeit aufgrund der IP-Adresse, aber auch Vertragsbeschränkungen wie etwa die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), mit Kunden aus bestimmten EU-Staaten keine Verträge abzuschließen. Formulierungen wie „Unser Angebot richtet sich ausschließlich an Kunden mit Wohnsitz in Österreich“ sind künftig nicht mehr erlaubt. Insofern müssen die Geschäftsbedingungen für alle Kunden, egal ob aus dem In- oder aus dem Ausland, gleich sein.
Was sind länderspezifische Webseiten?
Als länderspezifisch bezeichnet man eine Website, die auf eine bestimmte Region ausgerichtet ist. So wie ein Webshop, der aufgrund seiner Gestaltung nur auf den österreichischen Markt abzielt, etwa weil bei den Preisen die österreichische Umsatzsteuer ausgewiesen ist oder die AGB auf österreichischen Gesetzen basieren. Solche Webseiten oder Webshops sind auch nach dem 3. Dezember weiterhin erlaubt, der Kunde muss aber die Möglichkeit haben, seine Plattform, bei der er bestellen will, frei zu wählen.
Voraussetzungen für eine Weiterleitung
Verbraucher dürfen auch in Zukunft noch auf länderspezifische Webseiten umgeleitet werden, aber nur wenn sie ausdrücklich zugestimmt haben oder wenn die Weiterleitung aus zwingenden rechtlichen Gründen notwendig ist. Diese Zustimmung muss vorab eingeholt werden. Folglich ist es in Zukunft verboten, Kunden automatisch zu einer anderen Webseite des Anbieters weiterzuleiten. Und: Die Webseite, die der Kunde ursprünglich aufgerufen hat, muss trotz Zustimmung weiterhin leicht zugänglich bleiben. Eine erteilte Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden.
Warum Unternehmer aktiv werden sollten
Wer die neuen Bestimmungen nicht umsetzt, muss Abmahnungen und Klagen von Konkurrenten und Wettbewerbsverbänden befürchten. Unternehmer sollten daher unbedingt ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen prüfen und gegebenenfalls anpassen lassen. Auch die Datenschutzerklärung und Cookie-Richtlinie sind unter Umständen zu ergänzen. Nicht zuletzt gilt es abzuklären, ob die Website oder der Webshop regionale Sperren oder automatische Weiterleitungen einsetzt, was unzulässig sein kann. Auch der Bestellvorgang sollte besonders im Hinblick auf die Informationspflichten nach dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) analysiert werden.
STEPHAN KLIEMSTEIN