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Wer bei Demonstrationen als Veranstalter gilt – und haftet

Versammlung wurde nicht angezeigt: VwGH legt fest, wer in einem solchen Fall als Veranstalter haftet.

Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Ein Grundrecht, verfassungs- und europarechtlich geschützt. Versammeln bedeuten aber auch verpflichten. Allgemein zugängliche Versammlungen, also solche, zu denen nicht nur geladene Gäste kommen dürfen, müssen spätestens 48 Stunden (früher 24 Stunden) zuvor der Behörde schriftlich angezeigt werden. Verantwortlich dafür ist der Veranstalter. Wird die Meldung unterlassen, drohen Verwaltungsstrafen.
Doch nicht immer ist klar, wer Veranstalter ist. Wurde die Versammlung ordnungsgemäß angezeigt, ist es jedenfalls derjenige, der in der Versammlungsanzeige genannt ist. Das kann neben einer natürlichen Person auch ein Verein oder eine politische Partei sein. Es kommt also darauf an, wer die Versammlung einberuft, zu ihr einlädt oder sie organisiert. In der Regel ist das ist der Organisator, Initiator oder Planer.

Was aber, wenn die Veranstaltung nicht angezeigt wurde – wer gilt dann als Veranstalter und wer haftet in diesem Fall? Mit dieser Frage musste sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) jüngst auseinandersetzen. Über eine Frau wurde eine Geldstrafe verhängt, weil sie nach Ansicht der Behörde als Veranstalterin eine Demonstration nicht angezeigt hatte. Konkret ging es um die Veranstaltung „Für Selbstbestimmungsrecht von Frauen bei Abtreibungen“, die 2014 als Gegendemonstration zu einer anderen, ebenfalls nicht angezeigten Versammlung mit dem Titel „Kundgebung für das Leben ungeborener Kinder“, abgehalten wurde. Der Frau wurde vorgeworfen, dass sie nach Erhalt einer SMS-Nachricht an einer „Spontanversammlung“ teilgenommen habe, wobei sie während der Demonstration in ein Megaphon gesprochen und andere Teilnehmer zum Mitrufen von Parolen animiert hat. Nach dem Ende der Demonstration habe sie Utensilien wie Fahnen und Transparente eingesammelt und mitgenommen. Für die Behörde war der Fall klar: Die Frau hätte als Veranstalterin die Demonstration fristgerecht anzeigen müssen. Für die Nichtanzeige hätte sie folglich einzustehen.

Der VwGH sah dies anders: Dass es sich bei der Demonstration um eine Versammlung – also um eine Zusammenkunft mehrerer Menschen, die in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken zu bringen – handelte, war für das Gericht unbestritten. Wird eine Versammlung wie im gegenständlichen Fall nicht angezeigt, ist zunächst jene Person als Veranstalter anzusehen, die in den anderen Versammlungsteilnehmern den Willen zum Versammeln hervorgerufen hat. Das kann durch Einladungen, Plakate, persönliche Anschreiben, Aufrufe in Zeitschriften oder im Internet erfolgen. Der Veranstalter muss an der späteren Versammlung auch nicht teilnehmen. Als Veranstalter gelten zudem Personen, die in der Öffentlichkeit – beispielsweise in einer Pressemitteilung – oder gegenüber der Behörde als solches auftreten. Oder derjenige, der eine führende Rolle in der Versammlung einnimmt. Das ist nicht immer einfach nachzuvollziehen. Maßgeblich für die Beurteilung, wer als Veranstalter in Erscheinung tritt, sei das Bild, das sich den einschreitenden Organen an Ort und Stelle biete.

Bloß geringfügige Unterstützungshandlungen bei der Organisation und Durchführung der Versammlung begründen dagegen keine Veranstaltereigenschaft. Im vorliegenden Fall waren die Unterstützungshandlungen wie Megaphondurchsagen und das Einsammeln von Transparenten als zu geringfügig anzusehen, um eine Veranstaltereigenschaft anzunehmen. Eine dafür erforderliche „führende Rolle“ wäre laut VwGH beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Richtung des Demonstrationszuges vorgegeben wird, bei Aufrufen, behördliche Anordnungen (nicht) zu befolgen oder wenn der Zeitpunkt der Beendigung der Veranstaltung erklärt wird. Weil derartige Handlungen in Bezug auf die Frau nicht feststellbar waren, erfolgte die Bestrafung zu Unrecht.

Eine andere Frage in diesem Zusammenhang: Wer haftet eigentlich für Schäden, die bei einer Demonstration entstehen, wenn es Krawalle gibt und randaliert wird? Seitens der Politik gab es im Vorjahr Pläne, die Haftungsregeln von Veranstaltern zu verschärfen. Kundgebungsveranstalter sollten demnach für Schäden, die bei Demos verursacht werden, persönlich zur Verantwortung gezogen werden. Dieser Vorschlag wurde insbesondere von Verfassungsrechtlern heftig kritisiert und als massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit gewertet. Denn wer veranstaltet noch eine Demo, wenn er für mögliche Sachbeschädigungen anderer haften soll? Vermutlich würde niemand mehr das Risiko eingehen, Demonstrationen zu organisieren. Bislang kam es zu keiner Verschärfung. Demnach haftet nach wie vor in erster Linie derjenige, der selbst randaliert oder andere dazu anstiftet.

STEPHAN KLIEMSTEIN