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Pfusch auf der Haut: Tätowierer und ihre Aufklärungspflichten

Eine Frau bekam Schadenersatz zugesprochen, nachdem sie auf ein Tattoo allergisch reagierte. Tätowierer müssen künftig besser aufklären.

In Österreich ist jeder Fünfte tätowiert. Manche mehrfach. Auch die Zahl der Tattoo-Künstler mit Gewerbeschein hat sich in den letzten zehn Jahren vervielfacht. Doch nicht jedes „Peckerl“ wird so wie gewünscht. Was also tun, wenn der Tätowierer gepfuscht hat?

Immer wieder sind Gerichte mit Schadenersatzprozessen befasst, denen verhunzte Tätowierungen zugrundeliegen. 2014 musste der Oberste Gerichtshof (OGH) einen Fall beurteilen, bei dem ein Kunde dem Tätowierer eine schlampige Ausführung beim Stechen vorwarf. 300 Euro hatte er für sein Tattoo bezahlt. Weil das Motiv – zumindest aus Sicht des Kunden – stark von der Vorlage abwich, klagte dieser das Studio auf 8.500 Euro für die Entfernung und die damit verbundenen Schmerzen.

In einem anderen Fall, den der OGH Anfang des Jahres entschied, ging es um ein sogenanntes Cover-Up, eine Überarbeitung mehrerer Tattoos von verschiedenen Tätowierern. Auf Wunsch der Kundin sollte zunächst eine Elfe eingefärbt und in weiterer Folge dann ein farbiger Baum dazu tätowiert werden. Weil es aber zum Streit zwischen der Frau und dem Tattoo-Studio kam und die Kundin erst zwei Jahre später wieder im Studio auftauchte und angeblich nicht umsetzbare Wünsche geäußert hatte, verweigerte der Tätowierer die Fertigstellung. Die Frau zog vor Gericht und forderte 7.200 Euro für eine Laserbehandlung zur Entfernung der Tätowierungen – die Entfernung wollte sie deshalb, weil ihr die Fertigstellung des Tattoos nicht mehr zuzumuten sei. Es folgte ein Prozess durch mehrere Instanzen mit dem Ergebnis, dass die Frau mit ihrer Klage abblitzte, weil sie dem Tätowierer die Möglichkeit geben hätte müssen, das Tattoo fertigzustellen.

Weitreichende Folgen für die tägliche Praxis von Tätowierern dürfte ein jüngst gefälltes Urteil des OGH haben: Dass Ärzte ihre Patienten vor einem Eingriff umfassend und detailliert über alle in Betracht kommenden Risiken aufklären müssen, hat das Höchstgericht bereits in der Vergangenheit vielfach judiziert. In einem aktuellen Fall ging es jetzt um die Frage, ob die zur Arzthaftung entwickelten Grundsätze über die Aufklärungsverpflichtung vor Eingriffen in die körperliche Integrität analog auf den Berufsstand des Tätowierers anzuwenden sind. Dazu gab es bislang noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Eine Frau, die sich in einem Tattoo-Studio eine Tätowierung stechen ließ, füllte vor dem Eingriff ein Einwilligungsformblatt aus, in dem sie unter anderem zu bekannten Allergien gefragt wurde. Die von der Frau angeführten Allergien wertete der Tätowierer als nicht kontraindikativ, es bestanden also aus seiner Sicht keine Einwände gegen das Tattoo. In weiterer Folge kam es bei der Kundin jedoch zu massiven Hautreaktionen, die ärztlich, sogar chirurgisch versorgt werden mussten. Sie klagte auf Schadenersatz in Höhe von 11.726,64 Euro wegen fehlerhafter Aufklärung über die Risiken einer Tätowierung. Vor Gericht wurde dann festgestellt, dass die Klägerin vor dem Stechen des Tattoos über mögliche Risiken nicht aufgeklärt wurde, insbesondere nicht darüber, dass es zu allergischen und entzündlichen Hautreaktionen kommen kann. Wäre sie richtig aufgeklärt worden, hätte sie eine Probestechung durchführen lassen und sich schlussendlich gegen die Tätowierung entschieden.

Der OGH verwies darauf, dass bereits die „Verordnung über Ausübungsregeln für das Piercen und Tätowieren durch Kosmetik-(Schönheitspflege)-Gewerbetreibende“ den Tätowierer verpflichtet, den Kunden über die Risiken einer Tätowierung aufzuklären – und zwar bevor die Einwilligung zum Eingriff eingeholt wird. Eine Aufklärung hat insbesondere über die erforderliche Nachbehandlung der tätowierten Körperregion und mögliche unerwünschte Reaktionen nach der Vornahme der Tätowierung – dazu zählen allergische und entzündliche Reaktionen – zu erfolgen. Eine Einwilligung sei nur dann ausreichend, wenn der Kunde in der Lage ist, die Risiken und die Tragweite des Eingriffs ausreichend zu überblicken. Da der Mitarbeiter des Tattoo-Studios ein solches Aufklärungsgespräch unterlassen oder jedenfalls nicht dokumentiert hat, haftete dieses für den Schaden der Klägerin analog der Rechtsprechung zu fehlerhaften Einwilligungen in Arzthaftungsfällen.

Davon abgesehen wurde vom OGH bereits früher klargestellt, dass es sich bei einer Tätowierung um einen Eingriff in die körperliche Integrität einer Person handelt, die ohne vorausgegangene ausreichende Erklärung der Person rechtswidrig ist und zu Schadenersatz berechtigt. Diese Grundsätze gelten allgemein und nicht nur für ärztliche Eingriffe. Somit müssen künftig auch Tätowierer über die Risiken, die beim Verzieren der Haut bestehen, ausreichend aufklären. Ähnlich wie Ärzte sollten sie zu Beweis- und Dokumentationszwecken künftig mit Aufklärungsbogen (Compliance-Formularen) arbeiten und ihre Mitarbeiter entsprechend instruieren, um kostspielige Haftungsprozesse zu vermeiden.

STEPHAN KLIEMSTEIN