Das wird man doch wohl noch sagen dürfen! Wo Beschimpfung anfängt und Meinungsfreiheit aufhört, ist eine oft nicht leicht zu beurteilende Frage.
Gewalt im Netz ist zum Alltag geworden. Mit der fortschreitenden Vernetzung unserer Gesellschaft durch moderne Technologien und der Etablierung von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram nimmt auch die Zahl der Attacken im Netz deutlich zu. Cybermobbing, Bashing, Schmähangriffe. Nirgendwo sonst geht Beleidigen so leicht wie im WWW. Derzeit besonders populär ist das Phänomen „Body Shaming“ – wenn sich User abwertend und diskriminierend über Figur, Körper oder Gewicht einer Person äußern. Auch rassistische Übergriffe haben in den letzten Jahren sowohl in der Quantität als auch in der Intensität zugenommen. In der vermeintlichen Anonymität fühlen sich viele Täter sicher. Ein Trugschluss. Was man nicht sagen darf und wie man sich gegen Hasspostings wehren kann.
Mein gutes Recht?
Offen seine Meinung zu sagen, zu diskutieren, auch mal hitzig, all das muss in einer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich erlaubt sein. Doch dieses Recht findet seine Grenzen dort, wo andere verletzt, bloßgestellt oder diskriminiert werden. Hasspostings können verschiedene Straftatbestände erfüllen: Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen (§ 282 StGB), Verhetzung (§ 283 StGB), Verleumdung (§ 297 StGB) oder fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c StGB). Wer glaubt, es handelt sich dabei um Bagatellen, irrt.
Keine Kavaliersdelikte
Was viele nicht wissen: Auch üble Nachreden (§ 111 StGB) und Beleidigungen (§ 115 StGB) sind keine Kavaliersdelikte sondern Straftaten. Strafdrohung: Freiheitsstrafe bis zu sechs beziehungsweise drei Monaten oder Geldstrafe. Anders als bei Offizialdelikten, die von der Polizei und der Staatsanwaltschaft selbständig, also von Amts wegen, verfolgt werden, handelt es sich bei üblen Nachreden und Beleidigungen um Privatanklagedelikte, bei denen das Opfer selbst gegen den Täter einen Strafantrag bei Gericht einbringen muss. Die Strafverfolgung des Täters erfolgt hier nur auf Verlangen der verletzten Person, das Opfer schlüpft gewissermaßen in die Rolle des Staatsanwaltes. Wird der Täter freigesprochen, trifft den Privatankläger das Kostenrisiko.
Wann ist eine Beleidigung strafbar?
Wer andere beschimpft, verspottet oder geringschätzt, verletzt sie an der Ehre und macht sich strafbar. Dazu zählen Schimpfwörter wie Arschloch oder Vollidiot. Schon in den Achtzigerjahren wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass solche Schimpfworte und Schmähungen nie mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden können. Übrigens können nicht nur Worte beleidigend sein: In einem Fall hat der OGH eine Beleidigung festgestellt, weil ein Lehrer einem Schüler vor versammelter Klasse einen Klebestreifen vor den Mund geklebt hat. Strafbar sind Beleidigungen aber nur dann, wenn sie öffentlich oder vor mehreren Leuten erfolgen. Das kann im Büro, im Bus aber genauso auch in Internetforen, Chats oder sozialen Netzwerken der Fall sein. Rechtlich macht es nämlich keinen Unterschied, ob die Beleidigung im Internet oder auf der Straße erfolgt. Als „mehrere Leute“ gelten mindestens drei Personen, zu denen Täter und Opfer nicht gezählt werden.
Wie wird man zum Privatbeteiligten?
Opfer können sich mit ihren zivilrechtlichen Ansprüchen auf Schadenersatz einem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließen. Ein solcher Anschluss muss bis zum Ende der Hauptverhandlung im Strafverfahren erklärt werden. Bis dahin müssen auch die Ansprüche ziffernmäßig präzisiert sein. Für Privatbeteiligte besteht keine Anwaltspflicht. Sie müssen weder Kosten noch Gerichtsgebühren bezahlen – selbst dann nicht, wenn der Angeklagte freigesprochen wird. Gegen Beleidigungen können sich Betroffene zudem zivilrechtlich wehren und vom Täter Unterlassung und Schadenersatz verlangen.
Dokumentation ist Trumpf
Wer im Internet beleidigt wird, sollte zunächst Beweise sichern, also Screenshots und Ausdrucke anfertigen. Dabei sollten jedenfalls das Datum, die Uhrzeit, der Nutzername und die Webadresse ersichtlich sein. Besonders wichtig können auch Chatverläufe sein, die bei Messenger-Diensten wie WhatsApp mit nur wenigen Klicks exportiert und so sichergestellt werden können. Personen, die den Chat oder Forumseintrag selbst gesehen haben, eignen sich später in Gerichtsprozessen als Zeugen. Falls möglich, sollte auch die IP-Adresse des Computers, von dem aus geschrieben wurde, ermittelt und dokumentiert werden.
STEPHAN KLIEMSTEIN