Verletzte Frau konnte wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit nicht ins Röhrchen blasen: Erst der Verwaltungsgerichtshof hob die Sanktion auf.
Wer beim Alkotest zu schwach ins Röhrchen bläst, riskiert saftige Strafen. Liegt nach mehreren Versuchen noch immer kein brauchbares Ergebnis vor, gilt das als Verweigerung des Tests, was ähnlich gravierende Folgen wie eine Fahrt im volltrunkenen Zustand nach sich ziehen kann: Wird der Alkomattest nämlich grundlos verweigert, ist automatisch vom höchsten Alkoholisierungsgrad auszugehen – also von über 1,6 Promille Alkoholgehalt im Blut.
Verweigerern droht neben einer Geldstrafe zwischen 1.600 und 5.900 Euro auch der Verlust des Führerscheins für mindestens sechs Monate, selbst wenn die ärztliche Untersuchung später ergibt, dass keine Alkoholbeeinträchtigung vorlag. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) ist der Tatbestand bereits mit der Weigerung vollendet, sich dem Alkotest zu unterziehen.
Gibt es jedoch medizinische Gründe für die Verweigerung, ist diese legitim. So wie im Fall einer Frau, die im Dezember 2016 beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt wurde. Weil sie – zwei Stunden später – während der ärztlichen Versorgung im Spital einen Alkomattest verweigerte, wurde über sie eine Geldstrafe von 1.600 Euro verhängt. Polizisten hatten noch während der Behandlung auf der Unfallambulanz einen Test angeordnet, um festzustellen, ob die Frau zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert war. Ein erster Blasversuch blieb ohne Ergebnis und wurde als fehlerhaft gewertet. Als der einschreitende Polizist die Patientin darauf hinwies, dass ein zweiter Fehlversuch als Verweigerung gelte, entgegnete diese um 3:11 Uhr, dass sie den Test verweigere. Daraufhin wurde die Amtshandlung abgebrochen und ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.
Obwohl die niedergefahrene Frau schwerste Verletzungen erlitten hatte – darunter diverse Frakturen, Prellungen und eine Gehirnerschütterung – bestätigte das Landesverwaltungsgericht die Verhängung der Geldstrafe. Im Falle einer Verweigerung des Alkomattestes müssten gesundheitliche Beeinträchtigungen, die das Zustandekommen einer gültigen Messung verhindern können, sofort bekanntgegeben werden. Gegen diese Pflicht hätte die Frau verstoßen.
Ein im Verfahren vorgelegtes privates Sachverständigengutachten, wonach sich die Verunfallte mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem neurologisch-psychischen Zustand befunden habe, der eine Zurechnungsfähigkeit ausschließt, wurde vom Landesverwaltungsgericht als unschlüssig qualifiziert. Stattdessen bejahte das Gericht aus eigenem die Zurechnungsfähigkeit.
Erst der Verwaltungsgerichtshof gab der Frau Recht und hob das Erkenntnis auf: Nach den Grundsätzen des Verwaltungsstrafrechtes bildet die Zurechnungsfähigkeit eine unbedingte Voraussetzung für die Strafbarkeit. Liegen Anhaltspunkte vor, dass die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens ausgeschlossen sein könnte, muss das Verwaltungsgericht sich damit auseinander setzen. Das gilt auch für eine mögliche mangelnde Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit. Medizinische Fragen, wie jene der Zurechnungsfähigkeit, dürfen die Verwaltungsgerichte nicht selbst beurteilen. Vielmehr hätte das Gericht das vorhandene Gutachten ergänzen lassen oder ein Amtsgutachten einholen müssen, um diese Frage hinreichend beurteilen zu können. Weil das Verwaltungsgericht gegen diese Grundsätze bei der Beurteilung des Falls verstoßen hatte, wurde das Erkenntnis aufgehoben.
STEPHAN KLIEMSTEIN