Ein Salzburger Arzt stach mit einer Spritze in die Lunge der Patientin. Schmerzengeld erhielt die Frau, die durch die König & Kliemstein Rechtsanwälte OG vertreten war, weil sie über die Komplikationen nicht richtig aufgeklärt wurde.
Überforderte Ärzte, Personalmangel und fehlende Ressourcen gehen häufig zu Lasten der Patienten – im schlimmsten Fall bedeutet es den Tod. Oft sind es aber nicht die Behandlungsfehler selbst, die eine Haftung der Krankenhausträger nach sich ziehen – sondern Patzer bei der Aufklärung.
So auch in einem aktuellen Fall aus Salzburg: Weil sie Schmerzen im Nackenbereich hatte, ließ sich eine Salzburgerin im Krankenhaus behandeln. Ein Arzt gab ihr Spritzen zur Schmerzlinderung, stach zu tief und verletzte die Lunge. Aus einer Standardtherapie wurde ein medizinischer Notfall. Nach etwa einer Stunde kehrte die Frau zurück in die Klinik und beklagte sich über Atemnot, Hustenanfälle und Schmerzen im rechten Brustkorbbereich. Im Krankenhaus wurde ein Thoraxröntgen veranlasst und dabei ein potenziell lebensbedrohlicher Pneumothorax festgestellt – dabei gelangt Luft in den Pleuraspalt zwischen Lunge und innerer Brustwand, wodurch sich der Lungenflügel nicht richtig ausdehnen kann, was die Atmung erschwert oder unter Umständen sogar unmöglich macht. In der Medizin ist diese Komplikation bekannt und gefürchtet. Weil sich die Lunge der Patienten nicht erholte und nach einiger Zeit sogar fast vollständig kollabierte, musste die Frau stationär aufgenommen und operiert werden. Das Durchstechen in die Lunge der Patientin wurde vom behandelnden Arzt nicht bestritten. Trotzdem weigerte sich das Krankenhaus, in dem er arbeitete, Schmerzengeld zu bezahlen. Die Frau zog vor Gericht und bekam Recht.
Zwar stellte ein Gutachter im Verfahren fest, dass die durchgeführte Triggerpunktinfiltration, bei der verhärtete Muskelpartien mit einer Nadel punktiert werden, lege artis erfolgte – das Durchstechen in die Lunge sei nämlich eine seltene, durchaus gefürchtete Komplikation, die selbst unter Zuhilfenahme von Geräten wie einem Bildwandler, einem CT oder der Sonographie nie ganz ausgeschlossen werden könne. Ein gewisses Risiko sei dabei – anders als bei konservativen Maßnahmen – immer vorhanden. Nur: Dessen muss sich natürlich auch der medizinische Laie bewusst sein, bevor er sich behandeln lässt.
Ärzte müssen daher umfassend und detailliert über Risiken aufklären. Besonders im vorliegenden Fall war dies geboten, zumal der Eingriff im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Dieser Aufklärungspflicht sei der Mediziner nicht nachgekommen, urteilte der Richter. Sowohl die Klägerin als auch eine Zeugin gaben vor Gericht an, dass sie der Arzt überhaupt nicht über Komplikationen aufgeklärt habe. Zur Patientin, die noch dazu kaum Deutsch sprach, habe er nur gesagt, dass in einem von tausend Fällen etwas passiert. Konkretisiert habe er das nicht. Der Arzt wiederum behauptete, er habe die Klägerin umfassend aufgeklärt – sogar über die Gefahr eines möglichen Atemstillstandes. Es wurde aber kein Aufklärungsgespräch protokolliert. Im Dekurs fand sich lediglich ein Vermerk über eine Medikamentenunverträglichkeit.
Unabhängig davon hatte der Arzt die Patientin nicht über alle alternativen Behandlungsmethoden informiert, die der Sachverständige in seinem Gutachten angeführt hat. Wieso er dies nicht für nötig hielt? Weil alternative Behandlungsmethoden wie Akkupunkturen oder Ultraschalltherapien keinen ausreichend qualitativen Standpunkt in der medizinischen Wissenschaft hätten, so die Rechtfertigung des Arztes. Letztlich sei die von ihm angewandte Triggerpunktinfiltration am zielführendsten und daher alternativlos gewesen. Dass auch Massagen einen positiven Effekt bei Nackenverspannungen haben können, wenngleich die Schmerzlinderung meist länger dauert, hat er nicht erwähnt. Zudem hatte er jene Behandlungsmethoden, über die er laut eigener Aussage informiert habe, lediglich als begleitende Maßnahmen und nicht als Alternativen genannt. Wären ihr die Risiken bekannt gewesen, hätte sie sich der Behandlung nicht unterzogen, so die Patientin vor Gericht.
Trotzdem hielt der Sachverständige, ein Medizinkollege, die Aufklärungspflicht als ausreichend erfüllt. Das Gericht sah das anders. Der Arzt hätte nämlich auch über die weniger gefährlichen Behandlungsmethoden umfassend aufklären müssen, selbst wenn diese Maßnahmen längere Zeit benötigen, um zum selben Erfolg wie die Triggerpunktinfiltration zu führen. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die Behandlung medizinisch indiziert war. Sie war nämlich nicht notwendig, um die Klägerin vor drohender Lebensgefahr oder einer erheblichen Gefahr für ihre Gesundheit zu bewahren. Weil der behandelnde Arzt nicht sorgfältig genug über die möglichen Folgen der Behandlung aufgeklärt hatte, war es auch irrelevant, dass der Eingriff letztlich lege artis erfolgte.
Im konkreten Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass der behandelnde Arzt die Patientin über die Komplikation des Durchstechens in die Lunge mit der Folge eines Pneumothorax, was im schlimmsten Falle zum Tod führen kann, nicht beziehungsweise nicht ausreichend aufgeklärt hat. Das Krankenhaus musste sich das Fehlverhalten des behandelnden Arztes zurechnen lassen und haftete gegenüber der Klägerin für die erlittenen Schmerzen und Schäden.
STEPHAN KLIEMSTEIN