Wenn Angehörige um ihr Erbe gebracht werden, ist das meist schwer zu beweisen. Auf was man achten sollte.
Da wir immer älter werden, steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Wer den Alltag nicht mehr alleine bewältigen kann, ist auf fremde Hilfe angewiesen. Häufig gibt es keine Angehörigen, weil sie entweder schon verstorben sind oder weit entfernt leben. Das ist ein Risiko. Denn mit zunehmender Abhängigkeit steigt auch die Gefahr, dass die Hilfsbedürftigkeit schamlos ausgenutzt wird.
Ein Fall aus Salzburg: Ein junger Hausmeister kümmert sich anfangs noch rührend um eine gebrechliche alte Dame. Aber nicht aus Nächstenliebe. Er will nach ihrem Tod eine beträchtliche Summe Geld und Liegenschaften erben. Zuvor hatte er schon die Nachbarin gepflegt und deren Wohnung geerbt.
Das Perfide: Seine Hilfsdienste ließ sich der Mann jedes Monat gut bezahlen. Zudem forderte er regelmäßig höhere Geldsummen, um teure Autos und Reisen zu finanzieren. Irgendwann war auch das nicht mehr genug. Gegenstände verschwanden aus der Wohnung. Selbst hochwertige Rollatoren wurden gegen Billigprodukte getauscht. Aus dem liebenswerten Helfer wurde plötzlich ein kühler Stratege: Er bat die Nachbarn darum, Fotos von ihm und der alten Dame zu machen. Ihre Ärzte sollten ihm bestätigen, dass er die Frau pflegt. Nach außen hin wurde weiterhin der Schein gewahrt, während sich der Ton gegenüber der Pensionistin zunehmend verschärfte: Es begann ein regelrechter Telefonterror. Immer wieder forderte der Mann, dass die Frau ihr Testament doch ändern solle. Schließlich habe er sich um sie gekümmert.
Im Volksmund nennt man das Erbschleicherei. Wo freiwillige, ehrlich Zuwendung aufhört und Erbschleicherei anfängt, ist in der Regel schwer zu ermitteln. Oft lässt sich die böse Absicht nicht beweisen.
Kein Straftatbestand, aber strafrechtlich relevant
In der Praxis ist es meist schwierig, dem Erbschleicher etwas Stichhaltiges nachzuweisen. In Österreich gibt es den Straftatbestand der Erbschleicherei nicht. Wer sich ein Erbe erschleicht, macht sich aber unter Umständen des Betrugs, der Nötigung oder der Untreue schuldig. Erbschleicherei kann also durchaus strafrechtlich relevant sein, insbesondere wenn Druck auf eine Person ausgeübt oder diese getäuscht wird. Problematisch ist, dass viele Betroffene aus Scham nicht zur Polizei oder zu einem Anwalt gehen.
Wie gehen Erbschleicher vor?
Erbschleicher gehen üblicherweise nach einer bestimmten Methode vor. Zunächst gewinnen sie das Vertrauen des Opfers. Besonders ältere, alleinstehende oder kranke Menschen sind besonders gefährdet. In weiterer Folge wird dann der Druck auf die hilfsbedürftige Person erhöht. Oft werden Krankheiten von Familienangehören oder eine finanzielle Notlage vorgetäuscht. Zudem wird beim Opfer ein schlechtes Gewissen erzeugt, um die Abhängigkeit und die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung zu erhöhen. Aus Dankbarkeit oder unter Druck überschreiben viele Erblasser dem Erbschleicher dann zu Lebzeiten Vermögenswerte oder sie setzen ihn als Erben ein.
Wie kann man sich schützen?
Gibt es keinen Betreuer, der die finanziellen Angelegenheiten regelt, empfiehlt es sich eine Vorsorgevollmacht abzuschließen. Im Rahmen einer solchen Vollmacht erhalten Angehörige oder Bekannte, denen man vertraut, spezielle Befugnisse zur Vertretung in alltäglichen Belangen. Auch eine Kontrolle über die Finanzen ist meist Inhalt einer solchen Vollmacht. Darin kann genau definiert werden, auf welche Vermögenswerte der Bevollmächtigte zugreifen kann und an welche Bedingungen dies geknüpft ist. Das macht es Erbschleichern bedeutend schwerer.
Um möglichen Streitigkeiten über die Gültigkeit des Testaments vorzubeugen, empfiehlt es sich, der letztwilligen Verfügung ein medizinisches Gutachten beizulegen, aus dem hervorgeht, dass Testierfähigkeit gegeben ist. Das ist vor allem bei älteren Erblassern ratsam. Mit einem solchen Gutachten lässt sich zweifelsfrei feststellen, ob ein Mensch zum Zeitpunkt des Verfassens des Testaments noch testierfähig war oder nicht. Im Nachhinein, insbesondere nach dem Tod des Erblassers, lässt sich das nur schwer und oft gar nicht mehr feststellen. Aus diesem Grunde macht es auch Sinn, dem Anwalt des Vertrauens in regelmäßigen Abständen eine ärztliche Bestätigung zukommen zu lassen, welche im Falle einer Anfechtung des Testaments als Beweis dient.
Wie reagiert man richtig?
Besteht der Verdacht, dass man an einen Erbschleicher geraten ist, sollte umgehend die Polizei oder ein Anwalt kontaktiert werden. Oft reicht es schon aus, wenn die Rechtsvertretung ein Schreiben schickt und darin rechtliche Schritte in Aussicht stellt. Wichtig ist aber auch, das Umfeld zu informieren, um dem Erbschleicher einen Schritt voraus zu sein.
STEPHAN KLIEMSTEIN