Nach den jüngsten OGH-Urteilen müssen Banken seit 2015 nicht berücksichtigte Negativzinsen ausgleichen. Was es dabei zu beachten gilt.
Mit seinem Urteil vom 30.8.2017 hat der Oberste Gerichtshof Zinsanpassungsklauseln, bei denen der Referenzindikator bei Null eingefroren wird, für unzulässig erklärt. Die heimischen Banken müssen demnach fälschlicherweise zu hoch verrechnete Kreditzinsen zurückzahlen. Insgesamt soll es sich für alle betroffenen Institute um einen Betrag von 360 Mio. Euro handeln. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die wichtigsten Punkte.
Was bedeutet negativer Euribor bzw. Libor?
Zur Bemessung von Kreditzinsen wird bei Eurokrediten häufig der Euribor und bei Fremdwährungskrediten der Libor herangezogen. Im Jahr 2015 sanken Euribor und Libor in den Negativbereich. Viele Banken haben diese Negativzinsen allerdings nicht berücksichtigt.
Worum ging es im jüngsten OGH-Urteil?
Seit dem zweiten Quartal 2015 gibt es Negativzinsen im Bankensektor. Aus Sicht des OGH haben die Banken seit damals bei variabel verzinsten Krediten die negativen Zinsen nicht ordnungsgemäß an diese Kreditnehmer weitergegeben. Im gegenständlichen Urteil ging es um einen Fremdwährungskredit, bei dem ein variabler Zinssatz vereinbart wurde – konkret Zinsen von 0,875 % pa über dem zum quartalsweisen Zinsanpassungstermin maßgeblichen Indikatorwert (3-Monats-CHF-LIBOR). Obwohl der Indikatorenwert negativ war, setzte die Bank als geringsten Indikatorwert 0% an.
Zu welchem Ergebnis kam der OGH?
Das Höchstgericht erklärte ein solches „Einfrieren“ des Indikators bei Null als unzulässig. Die beklagte Bank habe die Chancen und Risiken zukünftiger Schwankungen bewusst durch die Bindung an den jeweiligen Indikator geregelt. Eine Auslegung der Klauseln im Kreditvertrag dahingehend, dass der Indikator einseitig mit Null angesetzt werde, stünde im Widerspruch zu den klaren vertraglichen Regelungen sowie zu den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes. Die Negativzinsen hätten daher berücksichtigt und an den Kreditnehmer weitergegeben werden müssen.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind in erster Linie Kredite mit variablen Zinssätzen, bei denen keine Ober- oder Untergrenze vereinbart wurde. Fixzinskredite fallen daher nicht darunter.
Wann können Zinsen zurückgefordert werden?
Wurde Kreditnehmern trotz negativer Referenzzinsen ein zu hoher Zinssatz verrechnet, müssen die zu viel bezahlten Zinsen von der Bank erstattet werden. Die Referenzzinsen sind seit 2015 ins Negative gerutscht. Daher müssen diese an diesem Zeitpunkt vom Aufschlag in Abzug gebracht werden. Zunächst ist also zu prüfen, ob der jeweilige Kreditvertrag von Negativzinsen betroffen ist. Wenn das der Fall ist, muss jeder Monat ab dem Zeitpunkt, als die Referenzzinssätze negativ wurden, neu berechnet werden. Auf diese Weise lässt sich die Höhe der Zinsforderung ermitteln.
Wie sind die Ansprüche geltend zu machen?
Bei der Geltendmachung der Ansprüche sind zwar keine besonderen Formvorschriften zu beachten, es empfiehlt sich aber, die Bank mit einem eingeschriebenen Brief aufzufordern. Vom Institut kann auf diese Weise die Prüfung und Korrektur der seit 2015 verrechneten Zinsen und die Übermittlung einer Neuberechnung und anschließend die Rückerstattung der zu viel bezahlten Zinsen gefordert werden. Anwaltliche Schreiben erweisen sich dabei oft als effektiver.
Wann verjähren die Ansprüche?
Schadenersatzansprüche verjähren nach drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers. Prinzipiell tritt damit frühestens 2018 Verjährung ein, unter Umständen können die Ansprüche aber auch später noch geltend gemacht werden. Fraglich ist nämlich, ob für den Beginn der Verjährungsfrist das Datum der ersten OGH-Judikate gilt oder ob der Fristenlauf bereits durch die Informationsschreiben, welche manche Banken 2015 an ihre Kunden verschickt haben, ausgelöst wird.
STEPHAN KLIEMSTEIN